In Zeiten weltweiter Klimabewegungen ist der Umweltschutz eines der Top-Themen im Tagesgespräch. Aber wie sieht es da mit dem Motorsport aus? Manche heben nur mahnend den Zeigefinger, andere machen bei dem Thema direkt dicht. Wieder andere wollen Antworten und Lösungen finden, werden aber nicht gehört. Alles in allem also eine ziemlich festgefahrene Angelegenheit.
Wir möchten uns in einer Reihe von Artikeln mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Die Quellen, auf die wir uns jeweils beziehen, findet Ihr am Ende der Artikel.

„Nachhaltigkeit? Meint Ihr Greenpeace?“

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist momentan in aller Munde, auch wenn er mit keiner einheitlichen Definition verwendet wird. Eine Situation, die hier als Beispiel gut passt, ist uns Anfang des Jahres bei der Recherche zu dieser Artikelreihe passiert: Als wir uns an der Rennstrecke nach einem offiziellen Ansprechpartner für Nachhaltigkeit erkunden, kriegen wir die zynische Antwort: „Meint Ihr Greenpeace?“

Diese Antwort spiegelt wider, wie unsicher die Allgemeinheit bei dem Begriff Nachhaltigkeit ist [1]. Es scheint nicht klar zu sein, wer sich darum zu kümmern hat. Klar war in besagter Szene nur, dass es bei unserer Nachfrage um Umweltschutz dreht. Warum aber dieser Zynismus? 

Keine verhärteten Fronten

Karl-Friedrich Ziegahn, Delegierter der FIM-Kommission für Nachhaltigkeit und leitender Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) macht drei Ebenen aus, die miteinander kommunizieren müssen, damit Umweltschutz und Motorsport zusammenkommen können:

Soziales, Wirtschaft und Umweltschutz [2] – Sobald sich eine dieser Ebenen egoistisch verhält (egal ob nun idealistische Umweltschutzbetreibende den Motorsport verteufeln, MotorsportenthusiastInnen trotzig an ihrer Herzensangelegenheit festhalten oder alle Verantwortung auf die Wirtschaft geschoben wird), können keine Lösungen gefunden werden. Im Gegenteil: Motorsport muss sich dann den immer massiveren Klimaschädlichkeitsvorwürfen stellen.

Motorsport ist ein Freizeitvergnügen, das sich die Menschen nicht gerne nehmen lassen wollen. Vor allem dann nicht, wenn sie sagen können: „Bundesligaspiele oder Festivals sind genauso umweltschädlich. Dann müsste man auch die verbieten.“ Das ist nicht falsch, denn die CO2-Bilanz von Großveranstaltungen im Allgemeinen sieht alles andere als rosig aus. Es wird hier aber auch zu kurz gedacht, denn:

Klimaschutzmaßnahmen bedeuten mitnichten ein zwangsläufiges Verbot. Was alle Großveranstaltungen gemeinsam haben, ist das Zuschaueraufkommen, bzw. die hohe Zahl von Menschen allgemein. Das bedeutet, dass der größte Einfluss einer Veranstaltung auf die Umweltbilanz bei den Zuschauenden liegt. Die Einstellung, nichts verändern zu wollen, weil andere nichts ändern, bedeutet – dem Modell Ziegahns entsprechend – die soziale Ebene über alles andere zu stellen. 

Valentino Rossi in Mugello vor dem KiSS Mugello-Schriftzug (© Ronny Lekl)

Umweltverhalten ist auch Zuschauerverhalten

Nachhaltigkeit ist also längst keine Expertensache mehr, sondern hat etwas mit allgemeinem Umweltverhalten zu tun. Eine Initiative, die diesen Ansatz verfolgt, ist die KiSS-Initiative, die sich mit nachhaltigem Verhalten bei Motorsport-Events beschäftigt. Hier werden Fans, Teams, Fahrer und Firmen darüber aufgeklärt, wie man sich an einem Rennwochenende umweltfreundlicher verhalten kann.

Außerdem gibt es konkrete Ansätze zum Beispiel das Recycling von Motoröl, Mülltrennung oder Plastikvermeidung. 2018 stellte man etwa beim Italien-GP in Mugello  120 Trinkwasserspender  sowie Glascontainer im Paddock auf. Außerdem wurde dazu aufgerufen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Rennstrecke anzureisen, was auch neben dem Umweltfaktor durchaus sinnvoll ist, denn wer Mugello kennt, kennt auch den Abreisestau am Sonntag nach dem Rennen. Die Initiative ging dieses Jahr in die siebte Auflage und war auch beim Misano-GP wieder aktiv sein (Mehr zum Thema in Kürze).

E-Rennsport – zwischen Etikettenschwindel und Fortschrittlichkeit

Man könnte sagen, dass hier also Basisarbeit betrieben wird. Etwas, das oft in Vergessenheit gerät, vor allem dann, wenn nur die Industrie und Vermarktung in der Verantwortung gesehen wird. Gut, ohne Zweifel, dort besteht Nachholbedarf! Das zeigt die Debatte um die Moto E, die in diesem Jahr meist negative Schlagzeilen schreibt. Brände im Fahrerlager, Dieselgeneratoren und eine ausbaufähige Infrastruktur zeigen, dass das Konzept dieser Serie noch lange nicht ausgereift ist. Außerdem wird der Dorna als Vermarkter der MotoE – zum Beispiel von den Kollegen bei motorsport-magazin.de –Etikettenschwindel vorgeworfen. Das sogenannte „Green Washing“ ist ein wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang, denn auch mit nur oberflächlich grünen Lösungen lässt sich schließlich sehr gut das Image von Großunternehmen aufpolieren. 

Neben der Skepsis gegenüber der „Alibi?“-Umweltfreundlichkeit muss sich der E-Rennsport auch der Authentizitätsfrage stellen. Seitenhiebe der TV-Kommentatoren bezüglich des fehlenden Motorgeräusches oder entsprechende Fan-Kommentare zeigen das deutlich. Aber E-Rennsport wird auch nicht immer nur belächelt. In der Motorsport-Studie der TU Braunschweig von vor drei Jahren [3]  beispielsweise schneidet die Formel-E in den Kategorien Fan-Nähe, Fortschrittlichkeit und Nachhaltigkeit wesentlich besser ab als die Formel 1. Springender Punkt bleibt hier wohl die Action, die „Glorifizierung von Verbrennungsmotoren”[4].

Umweltschutz im Schattendasein

Der E-Rennsport ist eine nach außen sichtbare „Maßnahme“, die eng verknüpft ist mit wirtschaftlichen Interessen (Als Beispiel: Man hat schon 2013 vorhergesagt, dass die weltweite Autoindustrie mithilfe der Formel-E rund 142 Millionen € in Form von Verkäufen generieren könne [6]) Daneben gibt es aber auch Maßnahmen, die eher im Stillen stattfinden. Wir möchten in unserer Artikel-Reihe auf diese Maßnahmen hinweisen und immer auch mit die Frage stellen: Wieso weiß niemand davon?

Denn Hand auf´s Herz: Wer weiß zum Beispiel, dass Moto2-Pilot Tom Lüthi mit einem Unternehmen zusammenarbeitet, dass sich mit CO2-neutraler Mobilität beschäftigt? Wer weiß, dass die FIM einen Umweltbeauftragten zu jedem Rennen schicken muss mit einer Umwelt-Checkliste? Wer weiß, dass  der VR46-Fanshop einen Verhaltenskodex zum Thema Nachhaltigkeit aufgestellt hat? Umweltschutz ohne vorrangig wirtschaftlichen Zweck fristet ein Schattendasein im Motorradrennsport. Darum soll es bei Superbike-World unter dem Reiter „Umwelt“ gehen. 

 

Text: Dominik Lack

Foto: Dominik Lack, Stock

 

Ihr habt Fragen oder Anregungen zum Artikel? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!


Quellenverzeichnis

[1] Webster, Robert Neil: Sustainability and Motorsport: An Examination of Formula E. [Dissertation] Clok: Lancashire 2016.

[2] Ziegahn, Karl-Friedrich: Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Motorsport. In: Bettina Reuter (Hrsg.): Motorsport-Management. Grundlagen – Prozesse – Visionen. Springer: Berlin/ Heidelberg 2018, S.311-333.

[3] Lucas, Christian; Woisetschläger, David M: Motorsportstudie 2016. Das Markenimage der Wettbewerbe im Vergleich. TU Braunschweig 2016.

[4] Lowes, Mark; Tranter, Paul: Communicating urban values through megasport events: the case of Australia’s “high performance” cities. In: Timothy A. Gibson; Mark Lowes (Hrsg.): Urban    Communication. Production, Text, Context. Rowman & Littlefield: Lanham, Boulder (u.a.) 2007, S.165-176.

[5] http://www.kissmugello.com/dir/wp-content/uploads/2018/10/KiSS-Mugello-2018_Highlights-ENG.pdf

[6] EY: FIA Formula E Championship. Value creation & sustainability report. FEH 2013.

 

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