Für Philipp Öttl beginnt in zwei Wochen die erste Saison in der Supersport-WM. Der Bayer war über den Winter insgesamt knapp drei Wochen in Spanien und reist in der kommenden Woche nach Australien zum letzten Test vor dem Saisonauftakt. Wir haben mit Öttl exklusiv über seine Winterpause und den Einstieg in die Supersport-Kategorie mit Puccetti-Racing gesprochen:
SW: Philipp, inwiefern unterscheidet sich Deine Saisonvorbereitung zu den letzten Jahren?
„Ich bin diesmal besonders viel auf der Rennstrecke gewesen, weil ich vom Team ein Trainingsmotorrad gekriegt habe. Ansonsten war es aber sehr ähnlich, würde ich sagen. Das Wetter war immer gut und da konnte ich richtig gut trainieren.“
SW: Kannst Du die Tests mit dem Straßenbike und dem Rennbike denn vergleichen?
„Die Motorräder kann man schon vergleichen. Der größte Unterschied ist der Motor, der geht beim Rennmotorrad einfach besser als beim Serienmotorrad. Wenn man von 10 – 15 PS Unterschied spricht, ist das schon spürbar. Zum Fahren war es aber gut. Ich glaube, dass das positive Auswirkungen hat, weil ich mich gut auf das Fahrwerk und die Reifen einschießen konnte.“
Überrascht gibt sich Öttl bezüglich seiner Performance mit der Serien-Kawa. In Valencia – dort hat Öttl die meisten Kilometer in der Winterpause abgespult – gelang ihm mit der Maschine eine 1:37,1, was nur knapp über der schnellsten Rennrunde vom letzten dort ausgetragenen Supersport-WM-Lauf 2010 lag (die damalige schnellste Rennrunde stammt von Joan Lascorz, 1:37,049. Den Qualifyingrekord hält Eugene Laverty mit einer 1:35,658). Auf die alten Daten will Öttl aber eigentlich weniger schauen:
„Wahrscheinlich muss man eher auf die spanische Supersport-Meisterschaft schauen, denn seit 2010 hat sich ja einiges geändert. Der Asphalt in Valencia ist anders geworden und damals als Laverty und Crutchlow Supersport-WM gefahren sind, war noch mehr möglich von den Motorrädern her. Trotzdem glaube ich, dass wir von den Zeiten her nicht schlecht dabei waren. Isaac Vinales ist auch mit auf der Strecke gewesen und ist – meiner Meinung nach mit einem Supersport-Motorrad – eine 1:36,5 gefahren.“
SW: Und wie sieht Dein Vergleich zwischen der Supersport- und der Moto2-Maschine aus?
„In Jerez war ich überrascht und etwas geschockt, weil ich mit dem Supersport-Motorrad schneller war als mit der Moto2. Das ist ein Motorrad, das Puccetti sagen wir mal 40.000 Euro kostet, zehn Jahre alt ist und das schneller ist als ein Moto2-Motorrad, das vielleicht 120.000 Euro kostet! Der große Unterschied kommt aber einfach von den Reifen. Die Pirelli-Reifen sind der Wahnsinn. Die haben einfach Grip, was man von dem Moto2-Reifen nicht behaupten kann.
Klar, ich habe immer auf Prototypen/ Rennbikes gesessen. Die fahren sich einfach anders als ein Serienmotorrad. Davon bin ich aber auch ausgegangen. Ich muss aber sagen, dass sich so ein Supersport-Motorrad schon wie ein Rennmotorrad fährt. Es ist überhaupt nicht so, dass man sagen könnte „es fährt sich schlecht“, „das geht gar nicht“, „es bremst nicht oder schaltet schlecht“. Das sind alles Vorurteile. Ich habe mich in Jerez wirklich sehr wohl gefühlt. Von der Elektronik her kann man um einiges mehr machen als in der Moto2 was etwa die Motorenbremse betrifft. Das finde ich zum Beispiel eigentlich ganz interessant.“
„Das Supersport-Motorrad fährt sich wie ein Rennmotorrad“
SW: Haben sich Deine Erwartungen an die Saison 2020 nach den Testfahrten geändert?
„Hm, ich bin mit wenig Erwartungen hingegangen. Wir sind zuerst für zwei Tage mit dem Trainingsmotorrad in Valencia gewesen bevor wir auf die Supersport-WM-Maschine gekommen sind. Da habe ich mich gleich wohl gefühlt, aber das Puccetti-Team hatte einen Motor eingebaut, der von der Charakteristik her hoch drehte und wenig Leistung hatte. Die Rundenzeit war langsam, aber vom Gefühl her bin ich gut gefahren. Als ich dann auf das Supersport-Motorrad gestiegen bin, habe ich gleich gemerkt, dass das um einiges mehr Bumms hat. Gut, die Leistungsentfaltung war eigentlich so, wie ich gedacht hatte: Sanfter als bei der Moto2. In Jerez war die Leistungsentfaltung sehr linear und das Motorrad besser zu kontrollieren als der Dreizylinder.
SW: Wo siehst Du die Kawasaki im Supersport-Feld? Da gehört ihr ja eher zu den Einzelkämpfern und manch einer spricht auch gern schon vom „Yamaha-Cup“?
„Das ist klar, dass das so gesehen wird und ich verstehe das auch voll. Die Yamaha hat einfach das neuere Kleid und schaut nach außen hin wie das neuere Motorrad aus. Rahmen, Chassis und Motor sind aber im Endeffekt von ´08/´09. So ist es quasi auch bei der Kawasaki. Die wird nicht mehr gebaut und schaut seit 10 Jahren gleich aus. Es ist aber schon so, dass Puccetti einiges macht. Man schaut immer, wie man noch etwas mehr Leistung, eine bessere Bremsperformance oder etwas am Fahrwerk erreichen kann. Das ist eigentlich extrem schwierig, weil die Basis schon so lange existiert und sie bestimmt schon alles ausprobiert haben, was man am Motorrad verbessern kann. Auf Phillip Island werden wir sehen, wie konkurrenzfähig das Paket ist. In Portimao haben wir den 2018er Motor gefahren und der war nicht so stark wie der 2019er. In Jerez, wo wir den 2019er Motor gefahren sind, war alles ein bisschen besser, auch von der Leistungsentfaltung her. Es wird auf jeden Fall interessant.“
Auf Phillip Island wird Öttl zunächst beim Test den Motor von 2018 einbauen lassen. Erst am Rennwochenende ein Paar Tage später soll das Aggregat für 2020 zum Einsatz kommen. Man wolle einfach „auf der sicheren Seite“ sein, verrät Öttl in Hinblick auf die Laufleistung der Motoren, die durchaus relevant ist, dürfen die Fahrer doch nur fünf Motoren in der Saison nutzen.
Neu ist für den Deutschen nicht nur das neue Supersport-Motorrad, sondern auch das Puccetti-Racing-Team. Die italienische Mannschaft um Manuel Puccetti hat in der Vergangenheit viele Erfolge gefeiert, etwa mit Kenan Sofuoglu oder Toprak Razgatlioglu. Im letzten Jahr gingen mit Lucas Mahias´ Erfolgen zwei Rennsiege auf das Puccetti-Konto. In anderen Interviews hat Öttl bereits die Professionalität des Teams hervorgehoben. Doch wie gewöhnt sich der Bayer ein?
SW: Wie läuft es denn mit Deinen italienischen Sprachkenntnissen?
„In letzter Zeit bin ich weniger zum Lernen gekommen, weil ich in Spanien war. Es ist aber nicht schlecht und es wird langsam. Ich kann schon einiges verstehen. Einen Kurs habe ich nicht gemacht, sondern mich mehr auf CDs und Bücher beschränkt. Das funktioniert aber und ich bin zufrieden.“
SW: Wie harmonieren denn Du und das Team mittlerweile?
„Ganz gut. Es ist eine eingeschworene Truppe, die schon lange zusammenarbeitet. Mein Crewchief Christiano Migliorati ist ja selbst schon bei Puccetti gefahren (Italienische Meisterschaft). Ich sage mal so, man hört immer von vielen, dass das Superbike-Paddock ein bisschen familiärer ist. Ich kann das vielleicht noch nicht so beurteilen, aber es ist schon alles ein bisschen enger zusammen.
Im Team darauf geachtet, dass man das Maximale rausholt. Es hört sich vielleicht komisch an, aber in der Moto2-WM bekommst Du Dein Zeug, baust das zusammen und fährst damit das ganze Jahr. Und in der Supersport-WM mit einem Reglement, bei dem nicht wirklich viel an der Maschine gemacht werden darf, ist das Team wirklich hinterher, dass man an den kleinen Details feilt. Das kommt mir ein bisschen detailverliebt vor und ist ein bisschen neu für mich. Ansonsten ist es aber eine gute Zusammenarbeit.“
SW: Kennst Du denn in diesem für Dich neuen Fahrerlager sonst noch viele Leute?
„Ein Paar kennt man noch aus der GP-WM, einige gar nicht und es sind auch welche dabei, die man noch aus der deutschen Meisterschaft kennt. Es ist also eigentlich eine ganz interessante Konstellation.
SW: Du und Patrick Hobelsberger seid die einzigen deutschen Permanentstarter in der Supersport-WM…
„(lacht) Ja, aber ich persönlich kenne ihn noch gar nicht. Ich treffe ihn in Australien das erste Mal. Aber es ist ja ein Bayer, also kann da nur eine gute Beziehung draus entstehen. Ich freue mich auf jeden Fall, dass es noch einen weiteren deutschen Fahrer gibt, der in der Supersport-WM mit dabei ist.
SW: Siehst Du Dich denn als Repräsentant für Deutschland? Das ist ja gerade dieses Jahr von Bedeutung, wo es mit Oschersleben wieder einen deutschen WM-Lauf gibt!
„Ja und in Oschersleben kommt noch Max Enderlein dazu und vielleicht noch jemand viertes. Klar ist es etwas besonderes wenn man ein Heimrennen fährt, auch wenn für mich Imola näher ist als Oschersleben. Ich denke, dass das ein cooles Wochenende werden wird. Letztes Jahr war ich am Sachsenring nicht dabei und deswegen freue ich mich jetzt mal wieder auf ein Heimrennen.“
SW: Oschersleben kennst Du ja noch ziemlich gut. Bei anderen Strecken sieht es anders aus. Ist für Dich das Streckenlernen dieses Jahr die größte Herausforderung?
„Allein wenn ich mir Portimao anschaue, wird es eine große Herausforderung. Portimao entspricht mit dem ganzen Rauf und Runter nicht wirklich einem MotoGP-Layout. Mit Donington und Imola werden zwei extremere Strecken dazukommen. Klar, Strecken lernen muss man immer. Am Anfang sind jetzt ein Paar dabei, die ich gut kenne und mag.“
SW: Gibt es denn Strecken, auf die Du wirklich gespannt bist?
„Auf Argentinien bin ich schon sehr gespannt. Freuen tue ich mich ansonsten natürlich auf die ersten drei Rennen, weil ich die Strecken einfach mag. Assen könnte ein bisschen kalt werden, aber die Strecke mag ich eigentlich auch. Im Endeffekt besteht der ganze Kalender entweder aus Strecken, die mir gefallen oder die ich noch nicht kenne.“
SW: Was gibt es für Dich jetzt noch zu tun bis es nächste Woche nach Australien geht?
„Tja, also erstmal werde ich wohl zum Friseur gehen. Ansonsten steht noch ein bisschen Training an und Samstag bin ich auf der iMot (München). Ansonsten habe ich aber nicht mehr so viel vor.“
Wir danken Philipp Öttl für das Interview!
Text: Dominik Lack
Fotos: Puccetti Racing
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